29.01.2014

Terry Gilliam vs. the World (of Hollywood)

Kult-Regisseur Terry Gilliam ist wieder zurück! Diesmal bringt er uns etwas mehr von dem, was ihn so berühmt gemacht hat: ultra-seltsame Filme, die man am besten mehrmals schaut, um sie wirklich voll erfassen und verstehen zu können.

Gilliams neues Werk: The Zero Theorem mit Christoph Waltz und Matt Damon

Terry Gilliam, der geniale Kopf hinter Meisterwerken wie Brazil (mehr dazu später), Fear And Loathing in Las Vegas12 Monkeys und Monty Python, bringt uns einen neuen gilliamschen Sci-Fi-Mindfuck mit The Zero Theorem. In 2013 wurde der Film mit Christoph Waltz (Inglourious Basterds, Django Unchained) in der Hauptrolle bereits auf dem Fantastic Film Fest gezeigt und mit sehr gemischten Meinungen bewertet. Nachdem ich den kürzlich veröffentlichten Trailer gesehen habe, muss ich allerdings zugeben: das sieht phänomenal aus!


Ich verstehe um ehrlich zu sein nicht im geringsten, wovon der Film handeln könnte, außer dass die von Christoph Waltz gespielte Figur vor ein mathematisches Problem gestellt wird, bei welchem er irgendwie beweisen muss, dass 0 = 100% ist. Vielleicht eine Metapher dafür, dass nichts von Bedeutung ist? "Why would you want to prove that ALL is for NOTHING?" Wir können eigentlich nur raten, denn außer einer Menge farbiger, abgedrehter Bilder lässt sich nichts eindeutiges herauskristallisieren. Doch dass ist auch genau der Grund, wieso wir mit Gilliams Filmen so lieben. Sie sind einfach bis ins winzigste Detail einmalig. Mein Interesse ist auf jeden Fall geweckt.

Interessant ist, dass Giliam hier einen scheinbar doch etwas "größeren" Film gedreht hat, obwohl man von seinen Animositäten gegen eben solche Produktionen regelmäßig gelesen hat. Eventuell sieht der Film auch teurer aus, als er tatsächlich war (höchstwahrscheinlich). Doch warum kämpft Gilliam schon seit Jahren gegen diese Windmühlen?

Terry Gilliam wird oft als Kreativ-Terrorist bezeichnet, der vor nichts und niemandem Halt machen würde, um seine Vision und Ideen umzusetzen. Das klingt natürlich ziemlich drastisch, klar. Doch wenn die Ergebnisse teilweise zu den besten Fantasy Filmen gehören, die jemals auf Zelluloid gebannt wurden, kann man schlecht gegen die Methoden argumentieren. Wenn du dein Leben widmest, was dann von Millionen Menschen gesehen wird und dein Name oben drüber prangert, solltest du auch das Recht haben, für deine kreativen Visionen bis aufs Blut kämpfen zu können. In der Realität haben, besonders bei großen Studio Produktionen, die kreativen Köpfe selten wirklich viel zu sagen. Klar, heutzutage gibt es Director's Cuts und Special Editions, bei denen die wirkliche Vision eines Regisseurs gegenüber der Kinoversion seinen Platz finden kann, doch für Gilliam wäre das niemals genug. Stell dich in Gilliams Weg, und wird dich aus dem Weg räumen. So geschehen, mit seinem  1985er Meisterwerk: BRAZIL.

In Brazil geht es um den mittelständischen Bürokrat Sam Lowry, welcher, um der grauen Realität aus Papierkram und unnötig ineffizienter Büroarbeit zu entfliehen, in eine Traumwelt flüchtet. Und genau diese Träume sind es, die Brazil zu einem der besten Filme aller Zeiten machten und waren der Grund für eine der interessantesten Schlammschlachten Hollywoods.

Es war im Jahre 1985, als Terry Gilliam nach einer Testvorführung von Brazil (in den er zu diesem Zeitpunkt Blut, Schweiß und monatelanges debattieren im Schneideraum investiert hatte), die Meldung bekam, dass Sid Sheinberg von Universal Pictures einiges am Film ändern möchte, um auf dem US Markt bessere Chancen zu haben. Universal weigerte sich, den Film in seiner originalen Form zu veröffentlichen (obwohl er in Europa zu diesem Zeitpunkt bereits sehr viel positive Kritik einfuhr), wenn Gilliam nicht von dem dunklen, dystopischen und satirischen Ton des Films ablässt. Dies würde die Leute dazu bringen über ihr Leben nachzudenken, was viele Leute nur ungern tun. Doch Gilliam blieb standhaft, da dies die Geschichte ist, die er erzählen wollte. Schauspieler wie Robert De Niro und Jonathan Pryce haben schließlich genau deswegen überhaupt erst Interesse bekundet, an dem Film mitzuwirken. Terry Gilliam würde die Story nicht verändern und es war ihm egal, wie viel potentielles Publikum ihm dadurch entgehen würde. Der Film war der Film.

Das brachte Universal sogar dazu, Gilliam zu verbieten den Film zu veröffentlichen. Die Rechte lagen beim Filmstudio, welches zu diesem Zeitpunkt auch ohne Gilliams Einverständnis an einer neuen, massentauglicheren Version arbeitete. Diese Version, später "Love Conquers All" getauft, war jedoch nicht annähernd das, was Gilliam wollte. Monate vergingen und der Film setzte weiter Staub in Universals Regalen an. Terry Gilliam war so frustriert über diese Tatsache, dass er Sid Sheinberg einen offenen Brief schickte: 

Dear Sid: 
Once upon a time you told me that you were not the one that put me in the chair at the end of BRAZIL. I'm afraid that this is no longer true — unable as I am to think of anyone else who is directly responsible for my current condition. Your later offer to be the friend who becomes a torturer has more than come true. I am not sure you are aware of just how much pain you are inflicting, but I don't believe ‘responsibility to the company’ in any way absolves you from crimes against even this small branch of humanity. As long as my name is on the film, what is done to it is done to me — there is no way of separating these two entities. I feel every cut, especially the ones that sever the balls. And I plead, whether they are done in the name of legitimate and responsible experiments or personal curiosity, if you really wish to make your version of BRAZIL, then put your name on it. Then you can do what you like. ‘Sid Sheinberg's BRAZIL’ has a nice ring to it. But, until that time, I shall continue to decline. Please let me know how much longer must I endure before the bleeding stops.

Deterioratingly yours, 
Terry

Dieser Brief stoß auf taube Ohren, und Gilliam war gezwungen, mit einer etwas kreativeren, anarchistischeren Methode die Aufmerksamkeit des Studios zu ergattern. Zwei Monate später buchte er nämlich eine komplette Seite der damals (und auch heute noch) unfassbar berühmten Zeitschrift "Variety", auf der er komplett ohne Design lediglich die folgenden Zeilen hat drucken lassen: 

Dear Sid Sheinberg—when are you going to release my film Brazil? Terry Gilliam.



Das sorgte natürlich in Fachkreisen und bei der Presse für einiges an Aufsehen und sorgte zudem bei den Lesern für ein besonders stark ansteigendes Interesse an Brazil. So viel, dass Gilliam und De Niro in der Sendung Good Morning America eingeladen wurden, um über das Dilemma zu sprechen. Das war der Moment wo Gilliam erst so richtig das Kriegsbeil ausgrub. Dort sagte er nämlich, dass er ein persönliches Problem mit Sid Sheinberg hat, während er ein Bild von selbigem in die Kamera hielt. Terry Gilliam gab seinen Fans das Gesicht des Feindes. Er unterstrich erneut, wie sehr er dafür kämpft, den Film mit der Welt teilen zu können. Gerüchten zufolge zeigte Gilliam den Film zusammen mit der Los Angeles Film Critics Assosiation bereits in vielen privat abgehaltenen Vorführungen. Die Leute konnten endlich den 142 minütigen Film sehen... und sie haben ihn geliebt!

Dann passierte das, was Universal nicht für möglich hielt: Brazil wurde mit Nominierungen für Awards überhäuft. Die erwähnte Los Angeles Film Critics Association verlieh Brazil sogar gleich 3 Awards (Bester Film, Bestes Drehbuch und Beste Regie) und auch bei der Oscarverleihung in 1986 ehrte man Brazil mit zwei Nominierungen (Bestes Originaldrehbuch und Bestes Szenenbild). Universal nahm daraufhin natürlich in Lichtgeschwindigkeit die Originalversion aus dem Regal und presste ihn in ein paar Kinos (man machte sich nicht mal die Mühe, ein Filmposter zum Release zu erstellen! Der Film lief ohne Werbung oder Plakate!). Die "Love Conquers All" Version lief natürlich ebenfalls ein paar mal im TV, doch glaubt mir, das war wirklich anspruchsloses Kino für die "dumme Masse". 

“Getting the film released was the only important thing. It didn't matter how it was released as long as it was out there for the public to find it in their own good time. That is what we call an obsession, and we won.” - Terry Gilliam

The Zero Theorem erscheint hier wie es aussieht irgendwann im März bei uns in Deutschland!













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