13.02.2014

Der perfekte Film: Drive

Valentinstag steht vor der Tür und sowohl Fernsehn als auch Kino ist entweder vollgestopft mit romantischen Dramen, oder brutalen Actionfilmen als Konterprogramm. Das lies mich automatisch einen meiner absoluten Lieblingsfilme für euch ausgraben. Drive von 2011. Ein Film, der wohl definitiv für beide Welten etwas zu bieten hat und in seiner Ausführung absolut punktgenau funktionierte.


Falls ihr von Drive bereits gehört habt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass man diese lose Romanverfilmung von James Sallis mit dem gleichen Namen, euch gegenüber bereits als sowas wie den "Arthouse Transporter" bezeichnet hat. Obwohl diese Beschreibung sicherlich an und für sich griffig erscheint, verkauft man den Film dadurch trotzdem noch unter Wert. Klar, die Parallelen zu Jason Stathams Transporter sind sicherlich gegeben: sowohl der Hauptcharakter aus Drive, als auch Stathams Figur sind  nah-emotionslos wirkende, untötbare Coolios. Doch die Art und Weise, wie dies mit der Story zusammen hängt, lässt den Vergleich dann auch direkt wieder zerbröseln. Ich hab generell nichts gegen die Transporter Filme und auch Jason Statham wird meiner Meinung nach immer mehr zum ernstzunehmenden Schauspieler (auch wenn das noch ein langer Weg ist). Doch Drive ist auf so vielen Ebenen einfach um Welten besser. "Drive" beschreibt nämlich nicht nur das Wort "fahren", sondern auch den "drive", also die "Motivation", den "Antrieb" den unsere Hauptfigur hat. 

Die Story handelt von einem namenlosen Fluchtfahrer, gespielt von Ryan Gosling (The Place Beyond The Pines, Crazy, Stupid, Love), der sich in seine Nachbarin verliebt und hofft durch sie eine Art von Absolution für sein vergangenes, kriminelles Leben zu finden. Das Setting ist ein, obwohl in der heutigen Zeit angesetztes, Los Angeles, welches sich aber sehr nach dem Kokain gefüllten, Neon beleuchteten LA der 80er Jahre anfühlt. Nicht zuletzt auch der pinke, überstilisierte Schriftzug auf den vielen wunderschönen Filmpostern, oder die Kleidung der Hauptfigur (Gosling trägt im Film eine silberne Fahrerjacke mit einem goldenen Skorpion auf dem Rücken, zudem stets zahnstocherkauend) deuten auf diese kreative Marschrichtung hin. Und tatsächlich, auch inhaltlich ist Drive kein stumpfer Actionfilm, sondern ein exzellent durchdachtes Neo-Noir-Crime-Drama, bei dem jedes Detail, jede Kameraeinstellung und jeder Blutfleck mit Bedacht gewählt und platziert wurde. So verfällt der dänische Regisseur Nicolas Winding-Refn (Pusher, Only God Forgives) bei seinem Hollywood-Debüt nie den konventionellen Hollywood-Klischees. Zum Beispiel verlässt die Kamera bei einer Verfolgungsjagd nie das Auto des "Driver" (so nennen wir unsere namenlose Hauptfigur ab jetzt), sodass wir stets die gleiche Welt erfahren wie die Personen im Auto. Auch die wenigen Dialoge im Film sind stets auf verschiedenen Ebenen zu verstehen und stehen oft als Metaphern für die Handlungen unserer Figuren. So zum Beispiel die Szene, in der Driver, welcher Tagsüber als Mechaniker und Stuntman für billige Filmproduktionen arbeitet auf den bösen Kartellboss, gespielt von Albert Brooks trifft (der hat sich für den Film die Augenbrauen abrasiert, um so emotionslos wie nur irgend möglich für diese Rolle zu wirken). Zu dieser Zeit wissen die beiden Figuren zwar noch nichts voneinander, in ihrem kurzen Dialog war der kommende Konflikt jedoch bereits zu erahnen:
Kartellboss streckt dem Driver die Hand zur begrüßung entgegen.
Driver schüttelt die Hand nicht und sagt: "meine Hände sind schmutzig."
Kartellboss antwortet daraufhin: "Das macht nichts, meine sind es ebenfalls."

Ebenfalls positiv zu erwähnen sind so ziemlich alle Nebencharaktere. Drivers Arbeitgeber und erfolgloser Werkstattbesitzer Shannon, gespielt von Bryan Cranston (Breaking Bad, Argo), Nachbarin und "Love-Interest" Irene, gespielt von Carey Mulligan (Der große Gatsby) und Mafioso Nino, gespielt von dem eigentlich immer großartigen Ron Pearlman (Hellboy, Blade 2, Pacific Rim) geben allesamt erstklassige Performances ab. Das wirklich große Talent in diesem Film ist aber eindeutig Ryan Gosling, welcher es schafft mit nur dem kleinsten Wimpernschlag den Zuschauern zu vermitteln, was für ein Vulkan gerade in dem Driver brodelt und auszubrechen droht. Generell weiß man so wenig über die Hauptfigur, dass durch die von Ryan Gosling gewählte Gestik, Mimik und dem wortkargen Verhalten so ziemlich alles zwischen Soziopath und hochfunktionalem Autisten angedeutet werden könnte. 

Auf die Frage, ob Ryan Gosling interessiert wäre in einer Marvel Superhelden-Verfilmung mitzuspielen, antwortete er, dass er mit Drive ja schon mehr oder weniger einen gespielt habe. Das gab mir lange zu denken, denn es war eine sehr interessante Interpretation der Figur und des Films. Und je mehr ich darüber nachdenke, desto besser gefällt mir seine Antwort. Das Kostüm und die Maske, die Driver im Film trägt, die selbstlosen, jedoch gefährlichen und brutalen Taten, die er für Irene und ihren Sohn begeht, haben definitiv etwas sehr heldenhaftes. Sein Wunsch, seiner kriminellen Vergangenheit zu entkommen, indem er etwas so gutes tut (und vor absolut nichts halt macht, um Irene zu schützen), wirkt tatsächlich wie eine Heldengeschichte. Der Skorpion als Emblem auf seiner Jacke ist daher ebenfalls sehr interessant ausgewählt. Ohne das Ende verraten zu wollen, kann man sagen, dass Driver erkennt, dass er mit Irene nicht zusammen sein kann. An anderer Stelle erwähnt Driver die Geschichte vom Frosch und dem Skorpion. Ein Detail auf das nicht weiter Bezug genommen wird, mir jedoch nicht aus dem Kopf ging. Als ich recherchiert habe, was diese Geschichte aussagt, fiel der Groschen:

Die Geschichte handelt von einem Frosch, der von einem Skorpion gebeten wird, ihn auf seinem Rücken über einen Fluss zu tragen. Der Frosch zögert, mit der Begründung, dass der Skorpion ihn bestimmt stechen würde. Daraufhin verteidigt sich der Skorpion mit den Worten, dass er ja ebenfalls untergeht, wenn er den Frosch stechen würde. Das überzeugt den Frosch, der dann einwilligt den Skorpion auf seinem Rücken über den Fluss zu schwimmen. Auf halbem Weg wird der Frosch vom Skorpion gestochen und beide ertrinken. Der Skorpion gibt dann noch zu, dass es in seiner Natur liegt, zuzustechen. Was soviel bedeutet wie: Egal wie nobel die Vorsätze, egal wie hart die Konsequenzen, man kann seiner Natur nicht entkommen. Meiner Interpretation nach, erkennt Driver, dass er mit Irene nicht zusammen sein kann, da er ihr schaden würde. Trotzdem rettet er sie vor der Mafia, obwohl er selbst davon nichts hat. So wird er dann letztendlich tatsächlich ein Held. 

Der Soundtrack, welcher mich (und viele, vieeele andere Kinobesucher) einem neuen Musikgenre vorgestellt hat, ist zudem nahezu perfekt. Nicht nur klingen die Songs tatsächlich "wie angegossen" für diese Art von Film, sie machen sich zudem auch an und für sich gut in jeder Playlist. Sogar inhaltlich können die Songs den Kern des Filmes kaum treffender wiederspiegeln. Besonders Songs wie "Under Your Spell" von Desire, "A Real Hero" von College feat. Electric Youth (welcher die Heldentheorie noch mal sehr offensichtlich unterstützt) und der wohl bekannteste Song "Nightcall" von Kavinsky & Lovefoxxx verkörpern den Film mit jeder Note. Der Soundtrack war sogar auf einer knallpinken Vinylplatte käuflich zu erwerben. 



Viele, die den Film nicht mochte, hatten vermutlich andere Erwartungen an dem Machwerk. Ja, der Film wurde sicherlich als Adrenalinspiegel hochtreibenden Actionkracher vermarktet, doch bekam man etwas deutlich anderes zu sehen. Eine dumme Frau aus den USA wollte die Produzenten des Films sogar verklagen, weil Drive nicht genug Action enthielt. Klar, es gibt unfassbar brutale Szenen in diesem Film, werden jedoch für die meiste Zeit von sachte observierten Charakterstudien abgelöst. So ist es dann aber ein echter Schock, wenn plötzlich von 0 auf 100 der dritte Akt um die Ecke kommt, Gesichter weg geschossen, Schädel eingetreten und Pulsadern aufgeschlitzt werden. Drive ist daher viel eher mit Werken zu vergleichen, die in eine viel realere Kerbe schlagen. Drive ist weniger ein Transporter, als viel mehr ein Film der stark an die dunkleren Werke der Coen Brüder (No Country For Old Men) oder Michael Mann (Collateral) erinnert. Wer den Film bisher noch nicht gesehen hat, sollte dies unbedingt nachholen!


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