06.04.2014

Review: Noah

Er ist wohl einer der mutigsten, intelligentesten und waghalsigsten Regisseure der aktuellen Zeit: Darren Aronofsky. Nach großartigen Filmen wie Requem For A Dream, The Fountain, The Wrestler und Black Swan, durch welche er sowohl im independent- als auch im Blockbusterbereich zum gefeierten Star avancierte, lief am vergangenen Donnerstag sein neuster Film in den Kinos an. Die Rede ist von Noah, einer Verfilmung (und wie man sich bereits denken kann - eigene Interpretation) der berühmten christlich/jüdischen Geschichte mit der Arche...

Das Darren Aronofsky, welcher übrigens vegan und umweltbewusst lebt, sich schon seit 10 Jahren vorgenommen hat, eine religiöse Geschichte zu verfilmen, obwohl er selbst Atheist ist (er wurde Jüdisch großgezogen, bezeichnet sich selbst aber als nicht gläubig), sollte schon die ein oder andere Augenbraue anheben. Warum einen das hier zurecht misstrauisch machen sollte, erzähle ich euch in meinem Review!

Noah ist einer dieser Filme, die, wenn nicht mit perfekter Präzision ausgeführt, schnell extrem dämlich, langweilig und unsinnig wirken. Hier kommt einem schnell der leider sehr mittelmäßig gewordene 10.000 BC von Roland Emmerich in den Sinn, der ein ähnliches Setting benutzt, jedoch im Gegensatz zu Noah vergisst, seine Geschichte mit einem interessanten Twist zu versehen. Noah hingegen brilliert speziell in dieser Kategorie. Wir wissen, dass Aronofsky intelligente Filme macht. Wir wissen, dass Russel Crowe ein verdammt guter Schauspieler ist... doch was überrascht an Noah, einer Geschichte die jeder aus der Grundschule kennt so sehr?

Hier der Clou: Aronofsky benutzt besagte Geschichte, um völlig andere, äußerst relevante Themen anzusprechen. Umweltschutz, der Freie Wille gegen blinden Gehorsam und natürlich Aronofskys Position zur Religion selbst bestimmen hier unterschwellig (und doch klar erkennbar) die Handlung. Und das ist schlichtweg genial ausgeführt worden. Viele Kritiker bemängeln, dass sich der Film nicht besonders an die Vorlage aus der Bibel hält. Doch das ist meiner Meinung nach kein wirklich schlüssiges Argument, da man den Film, gerade von einem so visionären Regisseur, immer für sich selbst stehend bewerten muss. Wie es bei so ziemlich allen cleveren Filmen, Texten, Rätseln, etc. ist: Es hat seinen Grund, warum Dinge nicht erwähnt wurden. In Noah zum Beispiel, fällt nicht ein einziges mal das Wort Gott. Auch die dazugehörigen Bilder sind oft ganz bewusst gewählt. Als Noah mit seinen Kindern auf der Arche den Fluten trotzt, erzählt er ihnen die Geschichte  von der Entstehung der Welt. Hier erzählt er exakt das, was wir aus der Bibel kennen. "Am ersten Tag erschuf Mr.G das Licht, am zweiten Tag die Berge und das Wasser, am dritten Tag die Fische usw" - Das was wir (exakt im selben Moment wie Noah diese Worte spricht) sehen, ist eine spektakuläre Darstellung des Urknalls, der Entstehung von Planeten und wie sich Leben darauf bildet. So wie wir es nach der Evolutionstheorie kennen, sehen wir in einem Zeitraffer, wie Fische entstehen und langsam an Land kriechen um später Säugetiere zu werden. Aronofsky schafft es dabei, alles so stimmig und perfekt zu verknüpfen, dass man hier keinen Zweifel haben sollte, dass Noah kein typischer Bibelfilm ist.   

Ist Noah also eigentlich gar nicht die Geschichte die man kennt? Ja und Nein. Es geht hier sehr wohl um Noahs Aufgabe eine Arche zu bauen, um alle Tiere und seine Familie vor dem Untergang der Welt durch Wasser zu retten. Doch viel interessanter ist das "wie": Der Film beginnt in einer bereits post-apokalyptischen Welt, wie man sie aus Filmen wie Mad Max oder der Fallout Videospielserie kennt. Adam und Evas Kinder (Kain und Seth - Abel wurde ja SPOILER von Kain erschlagen) haben ebenfalls Generationen von Kindern hervorgebracht. Kains Nachkommen haben sich auf der ganzen Welt (diese Welt sieht stark anders aus als die auf der wir jetzt leben) ausgebreitet und eine riesige industrielle Zivilisation erbaut. Ohne Rücksicht auf die Umwelt schürften sie alle Rohstoffe, verpesteten die Meere und verwandelten die Welt in unfruchtbares Ödland. Seths Nachkommen, zu denen letztendlich nur noch Noah und seine Familie zählen sind hingegen Vegetarier und leben Naturverbunden, nehmen nur was sie brauchen und sind mit ihrer Umwelt im Einklang. Anhand der Kleider und mancher Dialoge könnte man fast auf die Idee kommen, dass die Welt vor der Flut bereits einmal einen Zivilisationsstand die dem unseren ähnlich ist, erreicht haben könnte. Doch durch die konstante Ausbeutung der Erde verlor man schlussendlich alles (wer hier keinen imminenten sozialkritischen Kommentar deutet, ist entweder naiv oder dumm). Der Erschaffer (so tänzelt Aronofsky drum herum, das Wort "Gott" zu benutzen) ist nicht glücklich damit, und schickt eine alles vernichtende Flutwelle. Natürlich nicht, ohne vorher Noah im Traum eine Warnung zukommen zu lassen, durch die er auf die Idee kommt, eine Arche zu bauen. Das macht er übrigens nicht alleine, denn die ebenfalls auf der Welt zugegenen gefallenen Engel, welche bei ihrem buchstäblichen Aufprall auf der Erde von Lichtgestalten zu Steinmonstern verwandelt wurden, stehen Noah dabei zur Seite. Das ist übrigens auch dringend nötig, da die bösen, egoistischen, selbstzerstörerischen Nachkommen Kains ebenfalls mit aller Kraft daran gehindert werden müssen, beim Beginn der Sintflut auf die Arche zu kommen. 

Besonders angenehm fallen hier die Schauspieler auf. Der Film selbst hat zugegebenermaßen einige Längen, und braucht für meinen Geschmack ein paar Minuten zu lange um wirklich in Fahrt zu kommen, doch trösten gute Leistungen von Schauspielern wie Emma Watson (Harry Potter 1-7) Jennifer Conelly (A Beautiful Mind, Blood Diamond), Ray Winstone (Beowulf, The Departed), Anthony Hopkins (Das Schweigen der Lämmer, Thor/Thor 2) und der endlich wieder phantastische Russel Crowe (Gladiator, Master & Comanmder) darüber hinweg. Speziell Crowe gibt uns hier eine Darbietung, an die man sich noch lange erinnern wird. Er zeigt uns einen Noah, welcher so stur und blind dem Wort seines Erschaffers folgt, dass er ohne Rücksicht auf Verluste (buchstäblich!) alles und jeden opfern würde, um seine Mission zu erfüllen. Das geht sogar so weit, dass man an einer sehr speziellen Stelle im Film aktiv in Frage stellen wird, ob man die ganze Zeit eigentlich für einen Helden, oder eher für einen geblendeten Verrückten die Daumen drückte. Ein Gedanke, den auch seine Familie hat. Hier zieht uns Darren Aronofsky mit ziemlicher Leichtigkeit die Fußmatte unter den Füßen weg.

All dies macht Noah zu einem sehr guten, sehr sehenswerten Kino-Epos, welcher zum denken und diskutieren anregt. Selbst wenn man dem Thema so gar nichts abgewinnen kann, muss man hier einfach den Mut bewundern, wie furchtlos eine so bekannte Geschichte auf originelle Art und Weise umgesetzt wurde. 

Hollywood Fun Fact: In den frühen Jahren Hollywoods gab es Unmengen von religiös inspirierter Sandalen-Filme mit riesigen Budget, welche sich auch sehr großer Beliebtheit erfreuten. Damals waren diese Bibelfilme in Hollywood so "in", weil man mit dem Vorwand sich an dem originalen Bibeltext zu orientieren (der ja bekanntlich ziemlich blutig und garstig sein kann), mit viel mehr bedenkenswertem Zeug an den Zensurbehörden vorbeimogeln konnte. Vergewaltigen, köpfen, pfählen, kreuzigen - alles pfui! Aber wenn es einfach nur implementiert wurde, da es ja auch so in der Bibelvorlage steht, schien es wohl ok, oder zumindest "okayer" zu sein... Eventuell bekommen wir durch einen etwaigen finanziellen Erfolg von Noah ja sogar eine Art der Renaissance des Bibelfilms? Ein Revival des Sandalen-Epos? Who knows... Ridley Scott (Bladerunner, Alien, Prometheus) bringt uns ja gegen Ende des Jahres den Film "EXODUS" mit Christian Bale als Moses in die Kinos.

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