17.11.2014

Review: Nightcrawler

Mit Nightcrawler von Erstlings-Regisseur Dan Gilroy (bisher größtenteils als Drehbuchautor in Erscheinung getreten) startet eine der besten Kinoerfahrungen 2014 in den deutschen Kinos. Abgesehen von der Tatsache, dass es sich hierbei nicht nur um einen der besten Thriller des Jahres handelt, sehen wir hier ganz nebenbei erwähnt auch die mit großem Abstand beste Performance in Jake Gyllenhaals bisheriger Karriere. Das will auch was heißen, da dieser nach seinem Kulthit Donnie Darko speziell in den letzten Jahren viele gute Karriere-Entscheidungen traf (Zodiac, Enemy, End Of Watch, Prisoners) und völlig zu recht zu einem der gefragtesten Schauspielern der letzten Jahre avancierte. 

In Nightcrawler spielt Gyllenhaal die Hauptfigur Lou Bloom, der in vielerlei Hinsicht nicht nur der "Held" sondern auch der große "Gegenspieler" der Geschichte ist. Wo die meisten Filme an solchen Ideen scheitern, ist dies die große Stärke von Nightcrawler. Warum genau der Film in keiner "Top 10 Filme des Jahres"-Liste fehlen darf, erfahrt ihr selbstverständlich im folgenden Review!

Im Film geht es um einen sozial gestörten Tagelöhner namens Lou Bloom, welcher durch Zufall mitbekommt, wie Sensationsreporter in Los Angeles (sie nennen sich Nightcrawler/Nachtkriecher) Filmmaterial von Unfällen und Überfällen an lokale TV-Sender verkaufen. Vom leicht verdienten Geld beeindruckt,  kommt er schnell selbst auf den Geschmack, diesen Berufszweig zu verfolgen. So bemerkt Lou dann auch relativ zügig, dass er verdammt gut darin ist. Eventuell sogar deutlich ZU gut, denn schnell fängt er an, ein paar Gesetze zu brechen, um seine Konkurrenz hinter sich zu lassen. Er lügt, betrügt, manipuliert und fingiert sich seinen Weg an die Spitze und niemand scheint in der Lage, ihn aufzuhalten.

Bevor ich näher auf den Plot und die handwerkliche Finesse des Films eingehe, will ich hier zunächst ein mal festhalten, wie unfassbar perfekt Jake Gyllenhaal in dieser Rolle ist. Es ist verdammt selten, wenn ein so bekannter Schauspieler dermaßen in seine Rolle eintauchen kann, dass man als Zuschauer komplett vergisst, wen man dort auf der Leinwand sieht. Irgendwo zwischen Psychopath und Soziopath erscheint die Hauptfigur des Films eine verdorbene, gierige Persönlichkeit zu sein, die von Jake Gyllenhaal in einer erschreckend realen Art und Weise dargestellt wird. Auch für die abgehungerte Statur des Hauptcharakters entschied sich Jake Gyllenhaal ganz bewusst. So sagte er, dass seine Statur an eine Hyäne erinnern sollte, die stehts abgemagert aussieht und nie satt ist. Da lassen sich klare Ähnlichkeiten zum unersättlichen Verlangen Lou Blooms nach Anerkennung finden.

Generell stellt Nightcrawler eine interessante Antithese zu Nicholas Winding Refns 2011 erschienenen Crime-Thriller Drive dar. Wo Drive als Entstehungsgeschichte eines verschlossenen Superhelden verstanden werden könnte, wirkt Nightcrawler wie die dazu passende Geschichte eines Superschurken. Das erkennen wir bereits in der ersten Szene nach den sogenannten "Establishing Shots" (Das sind die ersten Bilder des Films, oftmals Landschaftsaufnahmen die etablieren wo und wann die folgende Handlung stattfindet), in denen wir interessanterweise Bilder eines Observatoriums über der Skyline von Los Angeles sehen. Darauf folgt nämlich unsere erste Begegnung mit Lou Bloom, welchen wir dabei beobachten, wie er einen Bauzaun klaut und von einem Nachtwächter erwischt wird, den er mit einstudiert wirkenden Worten ablenkt, bewusstlos schlägt und die Uhr klaut. Diese einzelne Szene zu Beginn des Films war ein phantastisches Beispiel für ein sogenanntes "Opening Signal". Das ist ein regelmäßiges eingesetztes, effektives Mittel um in Filmen den generellen Tonfall, die Spielregeln und die generelle Erzähweise der Geschichte mitgeteilt werden. Auch die darauf folgenden 115 Minuten sind voll von erstklassig geplanten Szenen, die sowohl handwerklich, als auch im Plot exzellent inszeniert wurden. 

Speziell die nervenaufreibenden Dialoge des Films sorgen dafür, dass trotz der zunächst langsamen Erzählgeschwindigkeit keine Langeweile aufkommt. Generell gibt es so viele Schichten im Film, über die es nachzudenken lohnt. Allen voran die, wie auch bereits in David Finchers Gone Girl innewohnende Medienkritik muss erwähnt werden. Speziell die Art in der Regisseur und Drehbuchautor Dan Gilroy schwarzen Humor benutzt um seine Aussage zu unterstreichen wird so trocken (im positiven Sinne) und selbstsicher abgefeiert, dass gelegentliche Kinobesucher möglicherweise gar nicht erkennen, womit sie es hier zu tun haben. Jeder in der Nachrichtenbranche - vom sensationslustigen Zuschauer, der für möglichst grauenhafte Berichte einschaltet, bis zum Fernsehintendanten, der die unglücklichen Schicksale der Opfer für Einschaltquoten ausnutzt - sie alle bekommen mit schonungsloser Ehrlichkeit ihr Fett weg, ohne wirklich einer allzu überspitzten Darstellung zu unterliegen. Generell scheint hier alles was man in Nightcrawler sieht furchtbar realistisch und glaubhaft zu sein. 

"Was ist wenn mein Problem nicht ist, dass ich Menschen nicht verstehe, sondern, dass ich sie einfach nicht mag?"

Doch Nightcrawler ist wie bereits angedeutet auch in technischer Hinsicht atemberaubend. Der Film wurde vom großartigen Robert Elswit gedreht, welcher bereits für seine Kameraarbeit an There Will Be Blood (für den er auch einen Oscar einheimste), Magnolia und The Town mehrfach ausgezeichnet wurde. Und das sieht man auch. Abgesehen von Drive hat man so ein fabelhaft pulsierendes, glühendes und attraktives Los Angeles bei Nacht möglicherweise seit Michael Manns Meisterwerk Collateral von 2004 nicht mehr gesehen. Der Soundtrack von James Newton-Howard (der zufälligerweise auch den Soundtrack zu Collateral gemacht hat) ist subtil und nervenaufreibend. Auch hier lässt sich definitiv wieder an Gone Girl denken. Auch die Schnitte und die Komposition des Films suchen Ihresgleichen. Speziell eine Sequenz am Ende des Films (es beginnt vor einem chinesischen Schnellrestaurant und resultiert in einer Verfolgungsjagd bei der man definitiv den Atem anhalten wird) hat gute Chancen für Jahre im kollektiven Hinterkopf aller Filmfans zu bleiben. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen